Khalil Gibran reloaded

Der Schöpfer des Kultbuches »Der Prophet« wartet darauf, für unsere unruhige Zeit neu entdeckt zu werden.

Warum Khalil Gibran heute wichtig ist

Mit seinem Hauptwerk „Der Prophet“ wurde Khalil Gibran in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren zu einer Art „spirituell-poetischem Guru“ der Hippie-Bewegung. Der Aufbruch der Jugend jener Zeit aus verkrusteten Normen und Weltanschauungen war mit ihm (sowie Hermann Hesse und seinen Werken) untrennbar verknüpft. Inzwischen sind die Zeiten ganz andere geworden. Die Jugend der 2020er-Jahre lebt in einer Gesellschaft mit exponentiell wachsenden technologischen Möglichkeiten. Spirituelle, philosophische und religiöse Themen passen immer weniger in das Narrativ einer streng rationalen, digitalen und virtuellen Welt, in welche die jungen Menschen heute hineinwachsen.


Das hat seinen Preis. Der Verlust an einer übergeordneten Orientierung und an ethisch-moralischen Grundwerten macht sich immer mehr in psychopathologischen Entwicklungen bemerkbar – sei es im Einzelnen oder der Gesellschaft im Ganzen.

In dieser Situation kann Khalil Gibran Impulsgeber für eine neue weltanschauliche Ausrichtung werden, die den Mangel in den Seelen (hauptsächlich der jungen Menschen) ausgleichen könnte. Gibran bietet kein Einlullen in eine harmonische „Friede-Freude-Eierkuchen-Welt“, kein esoterisches Abgleiten in „höhere Sphären“ und kein Weg zu besonderen geistigen Erkenntnissen. Er rüttelt vielmehr auf, legt den Finger in Wunden, die viele von uns gar nicht als solche erkennen. Khalil Gibrans Botschaft ist wahrhaft prophetisch: erschütternd, mahnend und mit großer poetischer Kraft.


Sich auf Khalil Gibran einzulassen, verlangt den Mut, sich Neuem zu öffnen und die Angebote zu hinterfragen, die den Sinnsuchenden nicht selten von vermeintlich spirituell Erleuchteten als Massenware angeboten werden. In diesem Sinne bietet er für die heutige Zeit etwas Neues, das sehr tief an fast vergessene spirituelle, philosophische und religiöse Urgründe anknüpft. 


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